REZENSION: Dieter Hampel, Richard Krüger und Gerhard Oertel, Der Auftrag bleibt. Der Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden auf dem Weg ins dritte Jahrtausend. Erzhausen: Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden, 2009
von Jörg Haustein
Der von Dieter Hampel, Richard Krüger und Gerhard Oertel gemeinsam verfasste Band versteht sich als Ergänzung zu Eisenlöffels Studie (2006) zur Entstehung des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) und seines Vorgängers, der Arbeitsgemeinschaft der Christengemeinden in Deutschland (ACD). Dabei geht der Band deutlich über die im Vorwort genannte Intention hinaus, den „inhaltlichen Faden“ Eisenlöffels von den 1980er Jahren bis in die Gegenwart fortzuführen, sondern ergänzt Eisenlöffel in vielen anderen Teilen, etwa in der Skizze der Anfänge mehrerer Kirchen oder der Entwicklung der pfingstlichen Kirchen in der DDR. Daher bieten beide Bände gemeinsam eine gute Einführung in die Geschichte des größten Teils der deutschen Pfingstbewegung und ihres Zusammenschlusses im BFP.
Das Buch gliedert sich in fünf Teile. Der von Gerhard Oertel verfasste Teil A (15–106) konzentriert sich auf die Geschichte der in Westdeutschland in der ACD bzw. BFP zusammengeschlossenen Gemeinden, die in ihren Anfängen, herausragenden Personen und weiteren Entwicklungen kurz charakterisiert werden. Leider wirkt dieser Teil überwiegend wie ein Kompilat aus Festschriften: es gibt nur wenig Verweise auf Quellen, die Hintergründe von Spaltungen oder Schwierigkeiten werden nicht näher beleuchtet und manche unvermittelten Entwicklungen bzw. Entscheidungen werden mit dem Wirken Gottes erklärt. Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen des BFP, nämlich die in den letzten Jahren sprunghaft angestiegene Zahl der Mitgliedsgemeinden mit Migrationshintergrund wird in diesem Teil leider nur äußerst kurz auf zwei Seiten (90–92) behandelt, wobei die Hälfte dieses Abschnitts aus einer nach ethnischer Herkunft aggregierten Liste der Gemeinden bestehen, welche allesamt nicht dargestellt werden. Das ist sehr schade, denn gerade hier würde man gern erfahren, wie dem BFP die Gestaltung der interkulturellen Zusammenarbeit gelingt.
Der weitaus umfangreichere Teil B (107–329) wurde von Dieter Hampel verfasst und besteht in einer ausführlichen Darstellung der Volksmission entschiedener Christen, der Elim-Bewegung (gesamtdeutsche Anfänge und weitere Entwicklung in der DDR) sowie der Gemeinde der Christen Ecclesia. Die Geschichtsdeutung vollzieht sich hier zwar auch aus pfingstlicher Binnenperspektive, zumal Dieter Hampel als Augenzeuge der Entwicklung der Elim-Gemeinden in der DDR auf seinen persönlichen Erfahrungsschatz zurückgreift, doch der gesamte Duktus dieses Teils erlaubt mehr Anschlüsse für historische Forschungen: Spaltungen und Differenzen werden theologisch und politisch genau erörtert und es finden sich zahlreiche Verweise auf die entsprechenden Archivalien. Zugleich wird aber auch deutlich, dass die Frage der Einstellung der Pfingstbewegung zu diktatorischen Systemen noch weiterer historischer Aufarbeitungen bedarf, etwa wenn Vietheers Bedrängnis durch die Gestapo genau dargestellt wird, aber seine NS-freundlichen Äußerungen nur kurz erwähnt werden (per Zitat auf 179); oder aber im Hinblick auf die von Hampel verfasste und vollständig zitierte Stellungnahme der Elim-Gemeinden zur Friedensbewegung in der DDR von 1982, die von einer für bestimmte Teile der Pfingstbewegung nicht untypischen außerweltlichen Ethik getragen ist, aber in der Konsequenz eine klare Ablehnung der Friedensbewegung artikuliert.
Teile C (331–361) und D (365–484), die wiederum von Gerhard Oertel verfasst wurden, beschäftigen sich mit dem BFP selbst, nämlich mit einer kurzen Darstellung seiner Entstehung und weiteren Entwicklung (C), sowie mit seinen Strukturen und den Arbeitsbereichen (D). Die an Teil A herangetragene Kritik greift hier ebenso: Auseinandersetzungen zu spannenden Fragen wie zur Ordination von Frauen (345) oder zur Wort-des-Glaubens-Bewegung (403f.) werden nur als Diskussionspunkt erwähnt bzw. mit ihrem Ergebnis (Erklärung des BFP) angeführt. Dabei wäre hier der Ort, mehr über das theologische Profil des BFP und der einzelnen Mitglieder zu erfahren, um solche Debatten besser zu verstehen. Gern verzichtete man dafür auf Details wie die auf S. 379–386 abgedruckte Liste der Konferenzen des Bundes, die besser in einen Anhang gehörte.
Der von Richard Krüger verfasste abschließende Teil E (487–542) beschäftigt sich schließlich mit den ökumenischen Beziehungen des BFP, und zwar von „innen“ nach „außen“: Die Darstellungen beginnen mit den Beziehungen zu anderen pfingstlichen Gruppierungen, legen daran anschließend das Verhältnis zur Deutschen Evangelischen Allianz einschließlich der Kasseler Erklärung dar, gefolgt vom Weg des BFP in die Vereinigung Evangelischer Freikirchen und schließlich der weiteren Ökumene vor allem hinsichtlich der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK). Die hier zu findenden Beschreibungen mancher Schwerfälligkeiten und Befindlichkeiten im ökumenischen Gespräch helfen, die Dynamiken der pfingstlichen Dialogbemühungen besser zu verstehen, doch zugleich tritt hier eine im internationalen Vergleich auffallende ökumenisch-theologische Provinzialität zu Tage. Wenn etwa von „toten Formen und Sakramenten“ der traditionellen Kirchen die Rede ist (531) oder die lehrmäßigen Differenzen hinsichtlich des Taufverständnisses, der Exegese und des Dialogs der Religionen als Grund für die Ablehnung der Teilhabe an organisierter Ökumene angeführt werden, wünscht man sich doch, die Verfasser würden wahrnehmen, dass es auf internationaler Ebene bereits seit den 1970ern hochrangige Dialoge von Pfingstlern mit der katholischen Kirche, den reformierten Kirchen sowie dem lutherischen Weltbund gab und gibt, ebenso wie pfingstlich-theologische Würdigungen ökumenischer Verständigungsprozesse wie z.B. der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung.
Trotz der stellenweise vorgebrachten Kritik ist der Band unverzichtbar für historische Studien zur deutschen Pfingstbewegung und bietet einen hilfreichen Überblick sowie Anhaltspunkte für detaillierte historische Forschung. Da ein Index leider fehlt, wird man sich bei solchen Einzelforschungen durch den gesamten Band arbeiten müssen, doch dies sollte helfen, einzelne Personen und theologische Entwicklungen im weiteren Kontext der deutschen Pfingstbewegung zu verorten.
ISBN:978-3-942001-00-7 549 Seiten Preis: €29,00 Weitere Verlagsinformationen...